Partnerschaftsbeziehungen Neubrandenburg-Koszalin

1971 bis laufend (2006)

Beginn

Zu ersten brieflichen Kontakten kam es schon vor der Gründung des Esperanto-Vereins Neubrandenburg 1970, im Oktober 1971 fuhr eine vierköpfige (HO, und Ehemann sowie WP) Delegation per Trabant von Anklam nach Koszalin. Damals war das noch Art Weltreise, die nur mit offizieller Einladung aus Polen, einem Dienstauftrag des Kulturbundes und einer Genehmigung für jede einzelne Person durch die Polizei möglich war. In Koszalin wurden wir überaus herzlich begrüsst und wir führten Gespräche über die Gestaltung einer künftigen und langfristigen Zusammenarbeit und ein tolles Treffen mit Esperanto-Freunden aus Koszalin und Umgebung. Eine kleine Rundreise nach Kolberg und andere Orte beschloss diesen ersten Besuch.

Schwerpunkte

In den folgenden Jahren wurden Verträge über die Zusammenarbeit ausgehandelt und unterschrieben, die folgende Kerngedanken enthielten:

Unser Ziel

Das Ziel war einerseits eine möglichst breit gefächerte Zusammenarbeit, die auf viele Schultern (den Klubs des Bezirkes Neubrandenburg und Einzelpersonen) verteilt wird und zahlreiche individuelle Interessen einbindet und andererseits sich eine persönliche Freundschaft zwischen möglichst vielen E.-Freunden unabhängig von der Leitungen entwickelt.

Höhepunkte:

Auf deutscher Seite wurden insbesondere die Bezirkstreffen, Wochenendseminare, Jugendtreffen und das Familienzeltlager besucht,

Auf polnischer Seite wurden von uns insbesondere die Zamenhof-Feiern und die "Baltischen Esperanto-Frühlingstreffen" besucht. Es gehörte bei den offiziellen Besuchen stets dazu, dass interessante Vorträge angeboten und präsentiert wurden.

Die Esperanto-Klubs Neubrandenburg und Prenzlau entwickelten in den Jahren eine jeweils selbstständige Zusammenarbeit mit den Freunden aus Koszalin.

Einige Besonderheiten:

Nach der Verhängung des Kriegsrechtes 1980 in Polen kam es zu einer Krise zwischen beiden Staaten (DDR und Volksrepublik Polen), gegenseitige Besuche waren nicht oder nur sehr schwer möglich. Dass es beispielsweise trotzdem 1980 zum Besuch einer deutschen Delegation zum Zamenhof-Tag in Koszalin kam, wurde so gelöst, dass wir uns selbst einen Dienstauftrag ausstellten, stempelten und unterschrieben (das war natürlich nicht zulässig). Der Trick wurde erst bei der Rückreise von der DDR Grenzpolizei bemerkt, es gab etwas Mecker ohne weitere Konsequenzen. 

Ebenso organisierte der EVN 1980 eine Geldsammlung für "Interhelpo", d.h. wir versandten Nahrungsmittelpakete (Inhalt laut Angaben vom Westfernsehen) im Gesamtwert von ca. 500,00 Mark zu mehr als zehn Familien in Koszalin.

Die Aktion "Interhelpo" wurde im Jahre 2004 noch einmal aktiv, als eine Geldsammlung von SEFT-Teilnehmern und dem EVN 900,00 € erbrachte, die einer E.-Freundin aus Koszalin übergeben werden konnte. Sie litt an einer tödlichen Tropenkrankheit und war unversichert (ausgesteuert von der KK) und ohne anderes Einkommen grosse finanzielle Probleme hatte. Sechs Monate nach unserem Besuch ist sie im Alter von weniger als 40 Jahren verstorben.

Einschätzung:

Beiden Seiten war es von Anfang an klar, dass die Beziehungen zwischen Deutschen und Polen, belastet durch eine unheilvolle Vergangenheit, sehr kompliziert sein würde. Aber wir wussten auch, dass die Freundschaft zwischen unseren beiden Völkern nur mit unendlicher Geduld und langsam von unten, von der Basis aus, wachsen kann. Wir als Freunde des Esperanto wollten dazu unseren kleinen Beitrag dafür leisten. Nicht zu unterschätzen ist dabei das neutrale Verständigungsmittel, das nicht aus einer Nation kommt und wir sprachlich gleichberechtigt miteinander Umgang hatten und haben. Wahrhaftige Freundschaft zwischen den Völkern kann es nur geben, wenn es einen ehrlichen Umgang miteinander gibt, keine Themen tabuisiert werden und keiner der Partner den anderen dominiert.

Manchmal muss man sich sogar von der Haltung der eigenen Regierung oder die der Mehrheitsmeinung des eigenen Volkes entfernen, um gewachsene Freundschaften kontinuierlich zu pflegen.

Ausblick:

Heute blicken wir auf 35 Jahre fruchtbarer, freundschaftlicher Zusammenarbeit zurück, sie hat sich in den Stürmen der Zeit zuverlässig bewährt so hoffen wir, dass die künftigen Generationen diesen wunderschönen Weg weitergehen, denn zu guter, freundschaftlicher Nachbarschaft gibt es keine Alternative. 

Seit mehr als 60 Jahren leben unsere Völker friedlich und in guter Nachbarschaft zusammen, fast unbemerkt von der grossen Politik und Wirtschaft hat sich zwischen unseren Völkern ein dichtes Netz von verschiedensten Partnerschaften, Freundschaften und Beziehungen entwickelt, dazu gehören z. B. auch jährlich ca. 10 Tausend Ehen die zwischen Deutschen und Polen geschlossen werden. Alles das gibt auch für die Zukunft grosse Hoffnung, auch für die Esperanto-Bewegungen in Koszalin und Neubrandenburg.    

Werner Pfennig